Hofreith Gemeinde Kößlarn

Ort Hofreith
Gemeinde Kößlarn
Kataster-Nr. PA_KO_03
Literaturhinweise  
Erforschung Stolper
Koordinaten 48.37647, 13.10693
Kategorie Erdstall sicher
Haverdath, Heft 14 rechts der Donau
Fotos  
Zeichnung  
Lage des Erdstalls (Basis BayernAtlas, Historische Karte)
Lage des Erdstalls (Basis BayernAtlas, Historische Karte)

Kößlarn

Heimatforscher entdeckt 800 Jahre alten Erdstall

Nikolaus Arndt untersucht den unterirdischen Tunnel in Hofreith

 

22.08.2022 | Stand 22.08.2022, 15:50 Uhr

Nikolaus Arndt steigt über eine Leiter in das Loch hinab. Auf dem Grundstück von Sepp Moser in Hofreith gab plötzlich die Erde nach.
Nikolaus Arndt steigt über eine Leiter in das Loch hinab. Auf dem Grundstück von Sepp Moser in Hofreith gab plötzlich die Erde nach.

Hartnäckig ist er, der Herr Arndt. "Ihre Kollegin ist mit ängstlichen Augen rein und leuchtenden heraus!" Nikolaus Arndt aus Aldersbach lässt wirklich nichts unversucht, um die Redakteurin in das Erdloch zu locken. Alles was recht ist! Allein schon bei dem Gedanken fällt das Atmen schwer, legt sich ein Druck auf die Brust. Also berichtet er selbst, was er entdeckt hat: einen "wunderschönen Erdstall", den "am südlichsten gelegenen im Landkreis Passau", in Hofreith in der Marktgemeinde Kößlarn. An die 800 Jahre wird der Erdstall wohl alt sein, schätzt der Heimatforscher, der an einem Erdstallkataster für Niederbayern arbeitet.


"Meine unterirdische Geschichte" schickt Nikolaus Arndt der Redaktion Pocking, wohl eigentlich als Ansporn gedacht, den inneren Schweinehund doch noch zu überwinden. Doch der PNP-Bericht, erschienen in der Freyunger Ausgabe, löst eher das Gegenteil aus:

Allein unter der Erde im Loch
Denn darin beschreibt die Kollegin Sarah Koschinski, wie sie in Klafferstraß im Landkreis Freyung-Grafenau mit Arndt und dessen Forscherkollegen Fred Baierl unter die Erde kriecht: "Auf einmal ist links und rechts von mir nur noch Wand. Kein Millimeter ist mehr Platz. Mein Helm kratzt bereits an der Decke. (...) Ich schalte meinen Kopf aus und zwänge mich durch die engste Stelle des Ganges", schreibt sie. Für kurze Zeit sitzt sie sogar allein unter der Erde im Loch, weil sich die Heimatforscher abwechseln (oh mein Gott). Auf dem Rückweg hat sie an besagter Engstelle Probleme: "Doch irgendetwas hakt. Ich stecke fest." Das wäre dann wohl der Moment, in dem andere mit Klaustrophobie in Ohnmacht fallen. Sarah Koschinski bleibt ruhig, ruft um Hilfe – sie streckt die Arme aus und wird aus dem Loch gezogen.

Erdstall in Hofreith eine Klasse für sich
Respekt vor so viel Mut, aber die Redaktion in Pocking lehnt trotzdem weiter dankend ab. Wie faszinierend Erdställe sind, darf gerne Nikolaus Arndt selbst beschreiben. Und der hier in Hofreith sei eine Klasse für sich, schwärmt er. Er ist durch einen kleinen Hinweis in dem Heft "Der Erdstall 2004" auf ihn gestoßen. Also macht er sich auf den Weg dorthin. "Die sehr aufgeschlossene Familie Moser ermöglichte mir Ende Juli einen Besichtigungstermin", berichtet Nikolaus Arndt.

Sepp Moser öffnet einen schweren Betondeckel und stellt die Leiter in das Loch. Seit vielen Jahren war niemand mehr drin. Drei Meter tiefer prüft Nikolaus Arndt mit dem Feuerzeug, ob genügend Sauerstoff da ist. Er entdeckt ein sechs Meter langes, gewundenes Gangstück, rund 60 Zentimeter breit und 120 Zentimeter hoch. "Weit hinein kommt man allerdings nicht, schlammiges Wasser lässt das nicht zu." Arndt sieht bis zum verschütteten Ende. Er bewegt sich auf dem Rücken etwa zwei Meter bis zu dem nach oben geführten Schlupf, der nur noch 40 Zentimeter breit ist.

Arndt vermutet, dass dieser Schlupf irgendwann in den letzen Hunderten von Jahren verschlossen wurde. Ein drittes Gangteil ist nach zwei Metern ebenfalls verschüttet. Allerdings sind Tastnischen erkennbar. Das Material ist relativ fester Mergel. Die Richtung der Hauspuren gut erkennbar.

Eines der faszinierendsten Gangfragmenten
Meist sind die Erdställe in Fels gehauen. Ganz wenige gibt es im Mergel oder festen Sand der Süßwassermolasse wie in Beutelsbach. Nikolaus Arndt ist in den vergangenen 13 Jahren schon in zig Erdställe in Bayern, Österreich und Frankreich eingestiegen. "Dieser hier in Hofreith, ganz im Süden des Landkreises gelegene Erdstall, gehört zu den faszinierendsten Gangfragmenten", sagt er.

Nordwestlich, etwa 500 Meter entfernt, in dichter Bewaldung, ist im Bayernatlas ein vermutlich mittelalterlicher Turmhügel erkennbar. Ob es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Erbauer dieser kleinen Burganlage und dem Mittelbauerhof ist nicht feststellbar. Eine Gangverbindung jedenfalls ist auszuschließen.

Was ist ein Erdstall?
Ein Erdstall ist ein unterirdisches Gangsystem, meist nicht mehr als 50 Meter in der Ausdehnung. Sie sind von Menschen vor etwa 800 bis 1000 Jahren angelegt worden. Es gibt sie unter bäuerlichen Anwesen, Burganlagen und bei Kirchen. Viele Erdställe gibt es im Oberpfälzer und Bayerischen Wald, in Österreich meist nördlich der Donau, aber auch in Frankreich, nur ganz wenige in Bayern südlich der Donau. Die Gänge sind meist nur 60 Zentimeter breit, 120 Zentimeter hoch. Sie haben Tast- und Sitznischen. Die Besonderheit sind sehr enge Schlupfe, nur rund 40 Zentimeter im Durchmesser.

Das Erdstallkataster
Nikolaus Arndt erstellt zusammen mit Fred Baierl seit etwa sechs Jahren ein Erdstallkataster für Niederbayern. Aus 110 registrierten unterirdischen Gängen im Landkreis Passau wurden ca. 50 als "echte" Erdställe identifiziert. Lediglich acht davon sind südlich der Donau. Die nächst bekannten im Landkreis sind bei Beutelsbach und Fürstenzell. Das Erdstallkataster für Niederbayern wird noch 2022 online gestellt.

Der Mittelbauer in Hofreith
"So liegent zwen Hoef zu Hofreut, die gehören auch dar zu..." Gemeint ist in dem Lonsdorfer Urkundenbuch von ca. 1260 die Herrschaft Neuburg am Inn. Einer der beiden mittelalterlichen Höfe ist der Mittelbauer, wie er dann 1752 in der Konskription des Pfleg- und Landgerichts Griesbach bezeichnet ist. Sepp Moser ist der Eigentümer das Mittelbauerhofs. In der blitzsauberen, modernen Obstkelterei stellt die Familie neben Obstsäften aus Apfel, Birne und Quitte Birnenmost her.

2002 hat Sepp Moser ein altes Nebengebäude abgerissen und dort die Obstpresse und Mosterei hingestellt. Als sich neben der Außenmauer plötzlich ein Loch auftat und der Untergrund erst in drei Meter Tiefe fest war, hat er mit dem für seine Höhlenforschungen bekannten Kreisheimatpfleger Manfred Stolper aus Tiefenbach Kontakt aufgenommen. Bereits 2002 wurden Thomas Beilner und Peter Forster informiert. Gemeinsam stellten sie fest: Es handelt sich zweifelsfrei um ein Erdstallfragment. 2007 haben Thomas Beilner und Peter Forster zusammen mit Dieter Ahlborn den Erdstall umfangreich vermessen und dokumentiert. Der Erdstall wurde vom Landesamt als Bodendenkmal kartiert. Der Bericht einschließlich Skizze ist bisher nicht veröffentlicht.

Das Rätsel um die Erdställe
Für was wurden sie verwendet? Darüber gibt es keine handfesten Belege. So ranken sich Sagen um sie, volkstümliche Bezeichnungen wie Schratzelloch, Frauenloch, Alraunhöhle, Graslgang führen zu fantasiereichen Hypothesen. Am einfachsten wäre eine Deutung der Erdställe als Versteck. Dagegen spricht ihre Architektur. Sind es also unterirdische Kultstätten? Vieles deutet darauf hin, dass Erdställe nie betreten wurden. Kann aber eine derart mühsame Arbeit lediglich einem symbolischen Zweck gedient haben? Die Forschung hat also noch viel Arbeit vor sich